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Mössinger Bergrutsch - Was geschah 1983? Interview mit Armin Dieter - HVP077



1985

1987

2018


 

Was geschah am 12. April 1983 in Mössingen und welche Auswirkungen hat dieses Ereignis auf die heutige Schwäbische Alb? Wie lange wird es die Alb noch geben? Über dies und viele weitere Aspekte haben wir mit Deutschlands einzigem Bergrutschführer Armin Dieter gesprochen. Ein spannendes Interview, welches dich direkt mit hinein nimmt in das Gebiet des Mössinger Bergrutsches.

 

Wer ist Armin Dieter?

 

Armin Dieter kommt aus Mössingen und betreibt seit über 40 Jahren Landschafts- und Naturfotografie auf der Schwäbischen Alb. Als sich am 12. April 1983 der größte Bergrutsch Baden-Württembergs seit über 100 Jahren am Mössinger Hirschkopf ereignete, hatte er gerade frei vom Studium und war als einer der ersten mittendrin. Er studierte zum Diplomverwaltungswirt. Diesen Beruf hat er später auch einige Jahre ausgeübt.

 

1993 veröffentlichte er sein erstes Buch über den Bergrutsch. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung bekam davon mit und berichtete über Armin Dieter und sein Buch. 1995 gab er seinen Beamtenjob schleichend auf, denn er wurde für eine Filmdokumentation über den Bergrutsch vom Bayrischen Rundfunk angefragt. Nach den Dreharbeiten kamen weitere Fernsehsender auf ihn zu und so kehrte er nicht mehr in seinen Beruf zurück.

 

Seit 1995 bietet er nun Führungen im Mössinger Bergrutsch an und hält Vorträge über die gesamte Schwäbische Alb und Baden-Württemberg. 

 

Wie lief der Bergrutsch ab?

 

Auslöser waren vermutlich langanhaltende starke Regenfälle. Durch den tiefhängenden Nebel gibt es vom Ereignis selbst keine Augen- und Ohrenzeugen. Direkt vor Ort konnte man jedoch schon einer Geräuschkulisse aus brechenden Bäumen lauschen. 

 

Am frühen Morgen war noch der Förster im Wald unterwegs und hatte nichts gehört. Vier Stunden später war sein morgendlicher Weg nicht mehr da. Der Förster meldete seine Beobachtungen dem Forstamt und der Stadt Mössingen und so wurde Armin Dieter unterrichtet, denn man wusste, dass er sich auch häufig in der Gegend aufhält zum Fotografieren. Das tat er dann auch wieder. Er zog los um sich die Situation selbst anzusehen. Dabei rutsche er selbst etliche Meter mit dem Hang ab und zog sich leichte Verletzungen zu. Das Gelände wurde zwar sofort für den Zutritt gesperrt, doch Armin Dieter begann noch am Tag des Rutsches bis heute mit der Dokumentation der Geschehnisse.

 

2006 hat die Akademie der Geowissenschaften zu Hannover unter Beteiligung der UNESCO die bedeutendsten Geotope gesucht und der Mössinger Bergrutsch wurde als einer von 77 in Deutschland ausgezeichnet, 11 davon in Baden-Württemberg. Das Zertifikat galt für 10 Jahre und wurde 2017 nochmals verlängert. Der Dank dafür gilt an dieser Stelle Armin Dieter, der als Privatperson die Dokumentation und Führungen durchführt. 

 

Armin Dieter hat sich auch um die Wege sowie die Beschilderung vor Ort gekümmert. Er ist die treibende Kraft rund um den Mössinger Bergrutsch. 

32 Meter rutsche der Hang und damit die Schwäbische Alb an diesem Tag ab. Im jährlichen Durchschnitt sind es eigentlich nur 1,6 Millimeter, die sich die Alb zurückverlagert. Vor ca. 15 Millionen Jahren war der Albtrauf noch bei Stuttgart. Beweis dafür ist der Scharnhauser Vulkanschlot, da man dort weißen Jura findet. Der Bereich um Fildern herum ist schwarzer Jura. Heute ist der Albtrauf ca. 25 Kilometer verschoben – eben durch Erosion und Bergrutsche.

Am Mössinger Bergrutsch verlagerte sich der Albtrauf also innerhalb von 2 Stunden um 32 Meter. Das entspricht ca. 20.000 Jahren. Hoffentlich geht es nicht in diesem Tempo weiter. Im vorderen Teil des Rutsches waren es nur 10 Meter, die von der Hochfläche abgesackt sind. In 30 Millionen Jahren ist die Schwäbische Alb vermutlich verschwunden.

 

Wie sieht das Gelände heute aus?

 

Es scheint, als hätte es zwei Bergrutsche gegeben, doch das sieht nur so aus. Es gibt die hohe felsige 600 Meter lange Steilwand mit zwei Türmen, einen schmalen Waldstreifen und die Rutschzunge, die einer Geröllhalde ähnelt.

 

Den Waldstreifen kann man heute begehen und in den unteren (Gröllhalde) und oberen (Rutschzunge) Bereich schauen. Dieser Waldstreifen ist während des Bergrutsches parallel nach vorn verschoben wurden. Dadurch entstand dahinter ein Graben, in welchen der obere Teil des Hanges abrutschte. Ihm wurde quasi der Fuß entzogen. Dieser Graben war 600 Meter lang, 50 breit und bis zu 30 Meter tief. 

 

Im heute noch leicht vorhandenen Graben ist ein Tümpel (100 Meter lang und bis zu 10 Meter tief) und Geröll. Dieser Tümpel ist eine Ansammlung von Oberflächenwasser und der perfekte Lebensraum für Amphibien, wie z.B. Frösche, Erdkröten und Ringelnattern. Außerdem leben dort Waschbären, Moderlieschen (Fische), russische Bären (Schmetterlinge), Füchse, Rehe, Wildschweine und Libellen. Im Tümpel sind noch frühere abgebrochene Bäume zu sehen, die herausragen wie ein Nagelkissen. 

 

Entwicklung der Flora und Fauna nach dem Bergrutsch

 

Direkt nach dem Rutsch war nur noch eine Geröllhalde aus braunem und weißem Jura, sowie die Ornatenton Schicht unterhalb des Waldstreifens übrig. Man nennt sie auch biologische Nullzone, denn es gab kein Leben mehr. 

 

Mit dem Hang, welcher ca. 10 Meter in die Tiefe gerutscht war, war auch eine Humusschicht mit nach unten gerutscht. Auf dieser lagen die abgerutschen Baumstämme kreuz und quer, die dann aber schon recht schnell herausgeholt wurden. Danach begann die Vegetation sich zu erholen, denn die Humusschicht konnte wieder atmen und die herumfliegenden Samen konnten sich niederlassen.

 

Zu diesem Zeitpunkt herrschte in Bodennähe eine Temperatur von 58 bis 65 Grad Celsius. Grund dafür war die rasche Erhitzung und Abstrahlung des Juragesteins. Durch Regen entstanden kleinere Tümpel durch Oberflächenwasseransammlungen. In der Mulde zwischen dem Hausberg von Mössingen, dem Farrenberg und dem Hirschkopf entwickelte sich ein Kleinklima, welches sich stark vom Umgebungsbereich unterschied. 

 

Die Vegetation konnte also wieder wachsen. 1987 herrschte bereits wieder eine dichte Bodenvegetation. Heute steht im unteren Bereich wieder ein dichter hoher Jungwald. 

 

Auf der sogenannten Geröllhalde entwickelte sich die Natur viel langsamer, weil dort kein Humus war. Als erstes wuchs Huflattich. 1985 hat dieser die gesamte Fläche bereits mit einem Blätterteppich überzogen. Dieser bot einen Schutz vor der Sonne und so sank die Bodentemperatur auf um die 40 Grad Celsius. Nun konnten auch andere Pflanzen gedeihen. Walderdbeeren, Orchideen, Fingerhut, Golddistel, Thymian und insgesamt 500 Pflanzenarten kamen dazu. 230 der Arten hatte es vor dem Bergrutsch in der Gegend nirgendwo gegeben. 

 

Wie geht das? Der Wind, der Wind, das himmlische Kind 😉

 

Durch die Bodenbeschaffenheit konnten sich viel Arten ansiedeln, da nicht sofort der Sträucherbewuchs begann. Doch von Jahr zu Jahr setzt auch hier der Verdrängungseffekt wieder ein. Ca. 80 Arten sind heute schon nicht mehr da. 

 

Auch Tiere kamen dazu. Zuerst der Dünensandkäfer als Erstbesiedler. Eigentlich frisst er Insekten, doch als Erstbesiedler waren ja keine da. Somit musste er sich von seinen Artgenossen ernähren. Doch wo kam der Käfer her? Er lebte an der anderen Seite des Hirschkopfs, wo es von einem früheren Bergrutsch noch eine Freistelle gab. Dort lebte er und zog in das Bergrutschgebiet um. Heute gibt es den Dünensandlaufkäfer nicht mehr, dafür den Feldsandlaufkäfer. Wenn man heute noch einen Dünensandlaufkäfer sehen will, muss man an Freiflächen suchen, doch er ist sehr selten.

Weitere Tiere sind seit 1987 der Wiedehopf, der Waldkauz, die pinke Heuschrecke und der Alpenbockkäfer. 

 

Die Gewässer

 

Bereits im ersten Jahr gab es durch Oberflächenwasseransammlungen erste Gewässer. Von Jahr zu Jahr gab es mehr. Diese waren bis zu 100 Meter lang und 40 Meter breit. Teilweise sind die Gewässer heute wieder verschwunden. Im unteren Bereich gibt es heute nur noch ein Gewässer – 100 Meter lang und von 1,4 bis 20 Meter breit. Alle anderen sind verlandet. 

 

In den Gewässern haben sich auch Tiere angesiedelt. In den ersten Jahren kam, die vom Aussterben bedrohte Europäische Sumpfschildkröte. Auch heute gibt es sie noch im Raum Mössingen, jedoch nicht mehr im Bergrutschgebiet, da das noch vorhandene Gewässer zu dicht bewachsen ist. 

Außerdem haben sich seeeeehr viele Frösche angesiedelt. Heute sind es nicht mehr ganz so viele, aber immer noch um die 1000, die hier ablaichen. 

 

Wenn man in ein paar Jahren in das Gelände kommt, wird man durch die Veränderung der Landschaft wohl kaum noch erkennen, dass es vor 36 Jahren einen Bergrutsch gab.

 

Wie du zu einer Besichtigung kommst

 

Die beste Möglichkeit um den vollen Umfang des Geschehens zu erfahren, ist auf jeden Fall eine Führung mit Armin Dieter. Du kannst ihn für deine Tour buchen oder du nimmst an einer öffentlichen Sonntagsführung von Mai bis Oktober teil. Die Termine findest du unter www.alberlebnis.de. Die nächste Führung findet am 5. Mai 2019 statt.

 

Hierfür triffst man sich am Bergrutsch-Parkplatz. Dieser ist von Talheim kommend ausgeschildert. Die Tour dauert dann ca. 2 Stunden. Es geht einige Meter bergauf, doch die reine Wegstrecke beträgt nur ca. 1 Kilometer.

 

Unterwegs bekommst du dann ca. 80 Fotos gezeigt, wie sich das Gelände in den letzten 36 Jahren verändert hat und Armin Dieter hat so manche Geschichte zu erzählen.

 

Wenn du lieber auf eigene Faust die Gegend erobern möchtest, dann kannst du zwei verschiedenen ausgewiesenen Wandertouren folgen:

 

Tour 1: Sie führt zur Hangleiste und zurück und ist eben diesen einen Kilometer lang.

Tour 2: Diese umrundet die untere Rutschzunge und ist ca. 3 Kilometer lang. Die Tour haben wir für dich mit komoot aufgezeichnet.

 

Wenn du allein unterwegs bist, bleibe bitte unbedingt auf den Wegen. In allen anderen Bereichen herrscht striktes Betretungsverbot.

 

Nationaler Geotop Mössinger Bergrutsch:

Einer der bedeutendsten Geotope Deutschlands*

Armin Dieter


* Hierbei handelt es sich um einen Partnerlink. Was es damit auf sich hat, erfährst du hier.


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