· 

GWW und Femos - Zwei Unternehmen mit einer Mission für behinderte Menschen - HVP042


 

In dieser Episode sind im Interview:

Die Geschäftsführerin der GWW (Gemeinnützige Werkstätten und Wohnstätten GmbH) Andrea Stratmann und der Geschäftsführer der Femos gGmbH Wilhelm Kohlberger.

 

Was macht die GWW und die Femos aus?

Beide Unternehmen sind größtenteils eigenständig, arbeiten jedoch sehr eng zusammen unter der Mission Menschen mit Behinderung ein Arbeits- und Wohnleben zu ermöglichen, dass unserem „normalen“ gleicht.

 

Die GWW bietet Menschen mit umfassenderen (geistigen, psychischen und körperlichen) Handicaps im Landkreis Calw und Böblingen Wohnmöglichkeiten (Rundumbetreuung bis hin zu Paarwohnungen mit Unterstützung), Seniorenbetreuung, berufliche Bildung und Arbeit. 

 

Bereits vor 45 Jahren wollte man ein System schaffen, dass diesen Menschen auch eine Beteiligung am Arbeitsmarkt ermöglicht. Für alle, die wegen ihrer Einschränkung den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht für sich erobern können, hat die GWW eine Aufnahmeverpflichtung.

 

Aus der Idee heraus, dass nicht jeder den umfassenden Schutz einer Werkstatt benötigt, hat sich die Femos entwickelt – eine Einrichtung, die Hilfsmittel zur Verfügung stellt, dass doch am allgemeinen Arbeitsmarkt teilgenommen werden kann. Heute nennt man diese Betriebe Inklusionsbetriebe.

 

2008 wurde dann die Stiftung Zenit gegründet um neue innovative Projekte ausführen zu können um Menschen mit und ohne Behinderung zusammenzubringen zum Leben, Arbeit und um die Freizeit zu gestalten. Die Femos ist ein Standbein der Stiftung und die GWW nur noch ein ganz kleines. Im Jahr 2012 kam die gemeinnützige Firma 1a Zugang Beratungsgesellschaft mbH als Stiftungsfirma hinzu. Alle Unternehmen sind zusätzlich in der Idee des Campus Mensch miteinander ideell verbunden. Die Idee besagt, dass es für jeden Menschen die passende Option gibt.

 

Eine Vision einer sehr schönen Gesellschaft

 

Campus ist nichts exklusives, sondern kooperiert mit andern Firmen, Verbänden und Vereinen.

 

Heute arbeiten ca. 1150 Menschen bei der GWW und 400 Menschen wohnen unterstützt durch die GWW in den beiden Landkreisen. Die Jüngsten sind 16 Jahre alt und der Älteste ist 90. 

 

Die Angebote sind ganz individuell und richten sich nach den Wünschen und Bedürfnissen der Einzelnen – jeder bekommt, was er braucht an Freizeitaktivitäten und Gemeinschaft sowie Unterstützung. 

 

Wie finanziert sich die GWW?

 

Es gibt 2 Quellen:

Der Leistungsträger, die öffentliche Hand stellt Unterstützung bereit z.B. durch Subventionierung von pädagogischen Personal. Durch diese Unterstützung kann in der Werkstatt produziert werden und diese Produkte werden auf dem regulären Markt verkauft/angeboten.

 

Was bekommen die behinderten Menschen von den Einnahmen der Werkstätten?

 

Es gibt Entgelte – keine Tariflöhne, denn die Menschen arbeiten in einem arbeitnehmerähnlichen Status. Die Menschen bekommen ein Entgelt, welches sie selbst erwirtschaftet haben, eine Rentenanwartschaft nach 20 Jahren in der Höhe der marktüblichen Rente unabhängig von der eigenen Qualität an eingebrachter Leistung und weitere Leistungen wie z.B. Wohnraum. Daher darf dieses Entgelt nicht mit einem Lohn für ähnliche Arbeit am regulären Arbeitsmarkt verglichen werden.

 

Man muss auch bedenken, dass die Werkstätte die Kompensation darstellen für mangelnde Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung, die in Wirtschaftsbetrieben zur Verfügung gestellt werden. Würde der allgemeine Arbeitsmarkt genügend Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, bräuchte Deutschland keine Werkstätten.

 

Was unterscheidet die Femos von der GWW?

 

Zusätzlich zu den Werkstätten gibt es die Inklusionsunternehmen, zu denen die Femos auch gehört. Diese stellen Menschen ein, die einen bestimmten Leistungsgrad erfüllen können. 56 % der Mitarbeiter bei der Femos sind Menschen mit Behinderung. Sie ist ein ganz normales Unternehmen mit einer ganz normalen Entgeltordnung. Die Finanzierung ist etwas anders als in den Werkstätten. Vom KVJS bekommt die Femos auf Grund der Erwerbsminderung einen Nachteilsausgleich, der aus der Ausgleichsabgabe entnommen wird, den die Unternehmen als Strafe zahlen, wenn sie ab einer Größe von 60 Mitarbeitern nicht 5 % der Mitarbeiter mit Behinderung beschäftigen.  

 

Inklusionsunternehmen wie die Femos gibt es in ganz Deutschland. Die Femos ist im Landkreis Böblingen aktiv und hat 155 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den unterschiedlichsten Bereichen. 

 

Welche Art von Arbeitsplätzen gibt es?

 

Seit 19 Jahren gibt es CAP Märkte – Supermärkte, in den ca. zur Hälfte Menschen mit Behinderung arbeiten. Der „Urmarkt“ entstand in Herrenberg – damals von SPAR unterstützt, heute von EDEKA. Im Landkreis BB gibt es vier Märkte und in ganz Deutschland 108. Die vier Märkte sind eben in Herrenberg, in Renningen, in Holzgerlingen und in Nufringen. Kaufen kann man alles – ca. 9000 Einzelprodukte. Die Preise sind die gleichen, wie bei den großen EDEKA Aktivmärkten und werden von der EDEKA Zentrale vorgegeben. Es macht also als Konsument keinen preislichen Unterschied.

 

Zusätzlich gibt es viele andere verschiedene Arbeitsmöglichkeiten. Der Grund dafür sind die Aufnahmeverpflichtung und die Unterschiedlichkeit aller Menschen. Da es für jeden die passende Aufgabe geben muss, scheinen die GWW und die Femos nach außen vielleicht wie ein „Gemischtwarenladen“, doch ist genau dies der Grund. Es muss für jeden den passenden Job geben und daher sind die Tätigkeitsfelder des Unternehmens so vielfältig, wie die Menschen, die dort Unterstützung finden. 

 

Der Ansatz der GWW ist daher nicht das Warten auf Aufträge, sondern das Betrachten von Prozessketten und das Sehen von Jobs für die Behinderten darin. So werden Arbeitsrahmenbedingungen mitunter erfunden.

 

Ein weiterer Zweig ist die Herstellung von Festzeltgarnituren in Holzgerlingen.

 

Wichtig ist auch die Unabhängigkeit der Konjunktur, denn die Aufnahmeverpflichtung der Menschen besteht immer und sie brauchen auch immer eine sinnvolle Beschäftigung – somit sollte sich nicht auf einen Wirtschaftszweig wie zum Beispiel die Automobilbranche fokussiert werden. Außerdem werden aktuell immer mehr der einfachen Montagearbeiten direkt im osteuropäischen Ausland oder gar in Asien übernommen. Somit müssen sich die Werkstätten immer wieder um neue Projekte und Ansätze der Unterstützung in der Wirtschaft bemühen. 

 

Auch dies ist ein Grund, warum sich die GWW und Femos um Projekte mit regionalem Bezug bemühen, die sich nicht nach Fernost verlagern lassen. 

Die Femos arbeitet daher seit 2013 als Logistikpartner für Heimat nichts schmeckt näher. Die Produktkette ist 2008 aus dem PLENUM Heckengäu Projekt entstanden. Es wurde von vier Landkreisen aus der Taufen gehoben mit der Führungsrolle aus Böblingen. Die Femos kauft heute die Produkte ein, lagert sie, verkauft sie und bietet sie an. Sie macht den kompletten kommerziellen Teil. Produkte sind z.B. Honig und Birnensecco und diese werden im Namen des Landratsamtes vertrieben. Erhältlich sind die Produkte in den CAP Märkten oder im Online Shop. Die Femos vermutet zusätzlich großes Wachstumspotenzial in der Belieferung der Konsumenten und macht sich dafür bereit aus den CAP Märkten z.B. ältere Menschen zu beliefern. Dieses Konzept ist im Start und setzt aktuell eBikes ein um ökologisch aufzutreten.

 

Zusätzlich macht die Femos die Hilfsmittellogistik für die AOK und kümmert sich um Recycling. 

 

Im Landkreis Böblingen gibt es ein Bringsystem. Jeder Haushalt bringt seine Wertstoffe auf den Wertstoffhof z.B. Papier und Kunststoff. Dort wird es gelagert und im Recyclingzentrum in Böblingen kümmern sich Femos Mitarbeiter um den Umschlagbahnhof, wo die Mengen sortiert und verpresst werden um sie zu den Wiederverarbeitungshöfen zu bringen. Das System ist zwar für die Haushalte lästiger, als alles in einen Gelben Sack zu werfen, doch für die Wiederverwertung ist dies ein großer Schritt FÜR unsere Um- und somit Nachwelt. 

 

Die GWW Herrenberg trägt auch noch einen Teil zur Recyclingkette bei mit ihrem Produkt Karopack. Dies sind Verpackungs-Füllkissen, welche in der Logistik eingesetzt werden. Sie sind mit Papierschretter aus Altpapier gefüllt. Dieses wird gewonnen aus retournierter Verpackung, die aus der Logistik angeliefert wird. 

 

Ziel der Unternehmen ist es, viele kleine verschiedene Arrangements an verschiedenen Orten in verschiedenen Gemeinden zu haben – sodass den Menschen der Bezug bleibt, statt an bestimmten Orten große Gemeinschaften aufzubauen. In jedem Ort gibt es eine Anzahl an Menschen mit Behinderung und um allen anderen zu verdeutlichen, dass auch diese Menschen zur Gemeinschaft gehören, sollen sie möglichst auch an ihren Orten bleiben können und eine sinnvolle Beschäftigung finden. 


Kommentar schreiben

Kommentare: 0